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Andreas Dörschell

„Wir als WPK sind Anwalt unserer gesamten Branche – dem müssen wir gerecht werden!“

Im zweiten Teil des Interviews spricht Andreas Dörschell darüber, wofür die Dörschell-Liste antritt und was er in den letzten Jahren als Mitglied des Kammervorstands erreichen konnte.

Im Juli steht die Beiratswahl der Wirtschaftsprüferkammer an. Weshalb ist es so wichtig, dass alle Wirtschaftsprüfer wählen? Wie können Sie sich die teilweise recht niedrige Wahlbeteiligung erklären?

Bei der WPK-Beiratswahl entscheidet jeder Wirtschaftsprüfer mit seinen 45 Stimmen über die Zusammensetzung des Beirats und damit mittelbar über die Zusammensetzung des Vorstands, der Vorstandsausschüsse und des Präsidiums. Mit Ausübung ihres Wahlrechts gestalten die Mitglieder der WPK ihre berufliche Selbstverwaltung. Und hier wird über wichtige Zukunftsthemen entschieden: Über den Stellenwert unseres Berufsstands und seine Positionierung in der Öffentlichkeit und über unser zukünftiges Berufsbild. Natürlich wird auch darüber entschieden, welche Persönlichkeiten uns zukünftig vertreten sollen. Deshalb ist auch die Präsentation der Kandidaten im Mitgliederbereich der WPK so wichtig: Schauen Sie sich an, wer zur Wahl steht und was die vertretenen Positionen sind und entscheiden Sie! Jede Stimme kann den Ausschlag geben. Wer nicht wählt, lässt andere über seine Vertretung entscheiden. Und wichtig ist auch, alle 45 Stimmen abzugeben: Jede nicht abgegebene Stimme zählt als Enthaltung und geht verloren.

Ob mit einer Wahlbeteiligung von ca. 50 Prozent das Glas halb voll oder halb leer ist, ist Ansichtssache. Mit einer hohen Wahlbeteiligung kommt jedenfalls zum Ausdruck, dass den Mitgliedern ihre berufliche Selbstverwaltung wichtig ist. Die hohe Wahlbeteiligung legitimiert die gewählten Vertreter und setzt ein Signal gegen bürokratische Aufsicht. Ob die ca. 50 Prozent der Mitglieder aus Desinteresse nicht wählen? Wenn ich an meine frühen Berufsjahre denke, stand für mich die WPK nicht im Zentrum meines Interesses. Die WPK war weit weg und das Tagesgeschäft wichtiger. Die Wahlunterlagen hatten keine oberste Priorität. Es war sicher keine bewusste Stimmenthaltung – eher ein: es wird schon gut gehen. Aber es muss nicht gut gehen, wenn ich anderen die Gestaltung überlasse.

 

Was sind die wichtigsten Ziele der Dörschell-Liste?

Wir haben drei Kernziele: Prüfung und Beratung aus einer Hand muss im Mittelstand weiterhin zulässig bleiben, Sicherung von Nachwuchs und Sicherung der Praxisnachfolge, Erhalt und Fortentwicklung einer leistungsstarken WPK.

Wir wollen als Prüfer und Berater unserer Mandanten weiterhin unser mittelständisches, ganzheitliches Berufsbild leben. Wir wollen guten Nachwuchs für unseren Beruf interessieren und binden. Ohne guten Nachwuchs gibt es keine gute Zukunft und auch keine gesicherte Praxisnachfolge. Und eine starke Kammer ist in unser aller Interesse: Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, wie wichtig unsere berufliche Selbstverwaltung ist. Eine Kammer, die Berufsaufsicht mit Augenmaß und Transparenz sicherstellt – eine Kammer, die den Berufsstand mit einer Stimme in Öffentlichkeit und Politik vertritt. Dafür lohnt der Einsatz.

 

Was halten Sie von einem Standardsetting durch die WPK?

Hier muss man etwas intensiver in die WPO schauen: Die WPK ist kein Standardsetter. Das folgt bereits aus dem rechtlichen Rahmen des § 57 WPO, in dem wir uns bewegen müssen. Es ist unsere Aufgabe, in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren und die berufliche Fortbildung der Mitglieder zu unterstützen. Daneben darf die WPK gem. § 4 WPO allein Berufsausübungsregelungen in Form der Berufssatzung (§ 57 Abs. 3 WPO) und der Satzung für Qualitätskontrolle (§ 57c WPO) erlassen. Wir können nicht über diesen Rahmen hinausgehen und uns Tätigkeitsfelder suchen, die wir vielleicht für wünschenswert erachten. Unsere Mitglieder sind Pflichtmitglieder und haben ein Recht darauf, dass wir unsere Aufgaben nicht willkürlich überschreiten und dabei höhere Mitgliedsbeiträge verursachen. Es kann auch nicht sein, dass wir in der Berufsaufsicht die Einhaltung von Standards überwachen, die wir zuvor selbst gesetzt haben. Das widerspricht schon dem allgemeinen Verständnis von Gewaltenteilung. Aus dem gleichen Grund sollte es auch keine formelle Genehmigung von Standards anderer Institutionen durch die WPK geben.

Entscheidend ist im Standardsetting, dass die Standards allgemeine Anerkennung finden. Das setzt eine hohe Qualität der Standards voraus – und einen Standardsetting-Prozess, in dem Entwürfe der Standards von Kollegen aus allen Segmenten gemeinsam erarbeitet und öffentlich zur Diskussion gestellt werden. Die WPK bringt sich hier in die fachliche Diskussion ein und wird das auch zukünftig tun. Auf diese Weise unterstützen wir die Qualität der Standards.

Wenn wir allerdings Ereignisse wie die Corona-Pandemie oder auch die Ukraine-Krise als exogene Schocks erleben – mit Fragestellungen von großer Bedeutung für alle Berufsangehörigen – ist es durchaus Aufgabe der WPK, Hilfestellung zu geben. Das bedeutet aber kein Standardsetting, sondern – etwa im Fall der Ukraine-Krise – den Hinweis auf sachlich fundierte Lösungen, wie sie hier vom IDW entwickelt wurden.

Andreas Dörschell im Gespräch mit Karl-Heinz Brosent
Andreas Dörschell im Gespräch mit Karl-Heinz Brosent

Wie sollte eine Berufsstandsvertretung noch aufgestellt sein?

Ich möchte noch einmal eine Lanze für unsere Überwachung der beruflichen Pflichten durch das Ehrenamt brechen: Seit über drei Jahren bin ich Mitglied der Vorstandsabteilung Berufsaufsicht (VOBA), die sich quartalsweise mit potentiellen Berufspflichtverletzungen durch Berufsangehörige – außerhalb der Abschlussprüfungen im PIE-Bereich – befasst. Wir VOBA-Mitglieder sind selbst Praktiker aus dem Vorstand der WPK, die das Geschäft kennen. Ich denke, ich darf für alle Mitglieder der VOBA sprechen, dass wir uns intensiv mit den Fällen beschäftigen, dass wir uns unsere Entscheidungen nicht leicht machen und dass wir rein sachorientiert entscheiden. Und wir wissen auch, dass man hinterher immer schlauer ist. Dass die Schwere eines Verstoßes und die Schuldhaftigkeit des Handelns durch Berufskollegen beurteilt wird, ist geradezu der Kerngedanke der beruflichen Selbstverwaltung. Persönlich nehme ich in den VOBA-Beratungen viele Erkenntnisse mit – über mögliche Fehlerquellen, über kritische Konstellationen und auch darüber, dass Menschen Fehler machen.


Sie sind bereits seit über sieben Jahren Mitglied des Kammervorstands. Wenn Sie drei Erfolge aus dieser Zeit nennen sollten, welche fallen Ihnen ein?

Die Modularisierung des WP-Examens ist sicher ein Erfolg. Es ist uns gelungen, unsere Anforderungen an die heutige Lebenswirklichkeit anzupassen, ohne an Qualität zu verlieren. Die Bewerberzahlen und auch die Zahlen der frischgebackenen Wirtschaftsprüfer steigen. Wir werden wieder ein jüngerer Berufsstand. Vielleicht ändert sich auch das Selbstverständnis unseres Berufsstands ein wenig. Das ist positiv.

Wir haben mit dem Digitalisierungskompass eine wichtige Handreichung gerade für den Mittelstand geschaffen, die sehr gut angenommen wird. An der Entwicklung und Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie kommt kein Kollege in der Praxis vorbei und wir unterstützen, wie ich finde, sehr zielgerichtet.

Und schließlich: Im Rahmen des FISG-Gesetzgebungsverfahrens haben wir viel Übel für den Mittelstand abwenden können: Die Beratung und gleichzeitige Prüfung unserer mittelständischen Mandanten ist weiterhin zulässig, wir haben die externe Rotation bei mittelständischen Mandanten abgewendet und wir haben eine m. E. noch akzeptable Erhöhung der Haftungssummen für die gesetzliche Abschlussprüfung von Non-PIEs erreicht. Das war eine einzige aufreibende Abwehrschlacht gegen mehr Regulierung. Wenn Teile des Berufsstands eine immer strengere Regulierung für das Segment der Abschlussprüfung börsennotierter Unternehmen fordern, muss man sich nicht wundern, wenn schlussendlich auch etwas an unserem primären Segment der gesetzlichen Abschlussprüfung von Non-PIEs hängen bleibt. Das Ergebnis unserer Abwehrschlacht ist in Anbetracht der frühen Gesetzesentwürfe wirklich gut. Es fühlt sich trotzdem nicht so recht wie ein Erfolg an.

Visualisierung der Wirtschaftsprüferhauses in Berlin
Das Wirtschaftsprüferhaus in Berlin, Hauptgeschäftsstelle der Wirtschaftsprüferkammer

Der Fall Wirecard hat das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wirtschaftsprüfer erschüttert. Was werden Sie tun, um das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen?

Die Frage hat ja grundsätzlich zwei Aspekte: Die Vergangenheitsbewältigung und den Blick nach vorn. In Bezug auf die Vergangenheitsbewältigung sind die Dinge auf dem Weg: Neben der gerichtlichen Aufarbeitung ist die APAS für berufsaufsichtliche Verfahren betreffend die Abschlussprüfung börsennotierter Unternehmen zuständig und arbeitet offenbar seit einiger Zeit daran. Wir als WPK unterstützen eine sachgerechte und transparente Aufarbeitung, soweit das in unserer Macht steht. Doch in Sachen Wirecard-Aufarbeitung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt – soweit ich das sehe – die APAS am Zug.

Was den Blick nach vorn angeht, müssen wir betonen, wie groß das Interesse der Öffentlichkeit an einer funktionsfähigen Abschlussprüfung ist, und deutlich machen, dass Zweifel an unserer Kernkompetenz keinesfalls angebracht sind: Wir haben allgemein anerkannte Prüfungsstandards, wir haben Systeme zur Qualitätssicherung, wir haben ein System der Qualitätskontrolle. Und wenn wir Verbesserungsbedarf erkennen, handeln wir. Qualität steht im Zentrum unser aller Arbeit, auch wenn das alles ein Fehlverhalten im Einzelfall nicht verhindern kann. Welcher Berufsstand hat denn Vergleichbares vorzuweisen? Wir als WPK sind Anwalt unserer gesamten Branche – dem müssen wir gerecht werden!

 

Zum Abschluss eine persönliche Frage: Nach über sieben Jahren im Vorstand der WPK treten Sie mit Ihrer eigenen Liste an. Wie fühlt sich das an?

Offen gesagt, ich bin da etwas ambivalent. Zum einen glaube ich, die Aufgabe als Spitzenkandidat aufgrund meiner Erfahrungen gut erfüllen zu können. Ich bin auch ein kleines bisschen stolz darauf, dass unsere Initiatoren und Kandidaten mir dieses große Vertrauen schenken. Zum anderen fühlt es sich schon etwas eigenartig an, meinen Namen mit solcher Häufigkeit zu lesen und zu hören. Als wir ganz zu Beginn unserer Kampagne in unserem Kreis darüber diskutiert haben, mit welchem Logo mein Name am besten zur Geltung kommt, musste ich schon etwas um Fassung ringen. Diese Art Öffentlichkeit liegt nicht so ganz in meiner Natur. Inzwischen habe ich mich mehr und mehr daran gewöhnt – oder ich denke einfach nicht mehr darüber nach. Am Ende geht es darum, dass wir ein gutes Wahlergebnis erreichen und unsere Wähler gut vertreten. Dafür springe ich schon mal gern über meinen Schatten.

 

Lesen Sie im ersten Teil des Interviews mit Andreas Dörschell, weshalb er den Berufsstand wieder stärker einen möchte und weshalb den mittelständischen WP-Praxen eine zentrale Bedeutung zukommt.

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