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Andreas Dörschell

„Unser Image hat gelitten. Das packt mich bei meiner Berufsehre.“

Im Interview spricht Andreas Dörschell, Spitzenkandidat der Dörschell-Liste, über sein Ziel, den Berufsstand wieder stärker zu einen und über die zentrale Bedeutung, die mittelständischen WP-Praxen zukommt.

Herr Dörschell, Sie arbeiten seit fast 30 Jahren in der WP-Branche und kennen viele Facetten des Berufs. Was reizt Sie noch heute an Ihrer Arbeit?

Der Wirtschaftsprüferberuf ist ein erfüllender Beruf mit vielen Facetten. Da sind zunächst unsere originären Aufgaben als Prüfer oder Gutachter, die Neutralität und Unparteilichkeit erfordern. Die kritische Grundhaltung, die Fähigkeit, Entscheidungen unabhängig und allein an der Sache orientiert zu treffen: Das ist der Kern unserer verantwortungsvollen Tätigkeit. Das müssen Sie annehmen und wollen – und das reizt mich bis heute.

Wir sind aber auch geschätzte Ratgeber unserer Mandanten. In häufig langjährigen Mandantenbeziehungen wächst ein persönliches Vertrauensverhältnis. Wir sind gesuchte fachliche Experten, die ihre Expertise zum Nutzen des Mandanten individuell zuschneiden: Das befriedigt mich bis heute. Und Prüfung und Beratung natürlich im Rahmen unserer berufsrechtlichen Anforderungen an die sachliche und persönliche Unabhängigkeit bei unseren mittelständischen Mandanten zu verbinden: Das gehört zur Aufgabe des Wirtschaftsprüfers im Mittelstand.

Nicht zuletzt ist da aber auch unsere Aufgabe als Unternehmer als Führungsaufgabe in unserer eigenen Praxis: Unsere Praxis laufend an den Bedürfnissen der Mandanten auszurichten, auch strategisch zu denken. Unsere Mitarbeiter zu entwickeln und zu fördern. Junge Nachwuchskräfte auszubilden und für unseren Beruf zu begeistern. Was wollen Sie mehr?

 

Wie hat sich das Berufsbild in den letzten Jahrzehnten verändert? Und welche Anforderungen ergeben sich daraus?

Die „letzten Jahrzehnte“, das hört sich an wie aus einer anderen Zeit. Die wirtschaftliche Realität ist komplexer geworden. Aber vieles, worüber wir heute brandaktuell sprechen, war schon in den 90er-Jahren ein Thema. Die Themen haben sich allerdings mit immer weiter zunehmender Geschwindigkeit entwickelt. Die Digitalisierung einschließlich der IT-gestützten Prüfung ist ein Thema, das mich seit meinem Berufseinstieg begleitet. Mit den fortschreitenden technischen Möglichkeiten ist die Dynamik enorm. Kenntnisse in der IT-Prüfung gehören heute selbstverständlich zum Berufsbild. Ohne das Thema Digitalisierung gibt es keine Zukunftsfähigkeit. Auch das Thema „Nachhaltigkeit“ ist so neu nicht. Schon Ende der 90er Jahre war ich Technical Advisor zum Thema Sustainability bei unserer Berufsvertretung in Brüssel. Die Dynamik ist in dieses Thema erst in den letzten Jahren hereingekommen – mit der gesteigerten Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, insbesondere der Investoren für Nachhaltigkeitsfragen. Auch hier gilt es, Schritt zu halten, unser Berufsbild aktuell zu halten. Nur so können wir sicherstellen, dass wir auch zukünftig der einzige Berufsstand sind, der ein Testat zum Jahresabschluss nebst Lagebericht abgibt. Warum gerade wir? Wir wissen, wie geprüft wird. Die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist im Kern eine Systemprüfung.

Wir sind als Mittelständler traditionell Generalisten und erster Ansprechpartner unseres Mandanten in allen wirtschaftlichen Fragen. Wir müssen mit den Spezialthemen umgehen können. Dennoch gibt es sicher einen Punkt, an dem wir die Unterstützung von Spezialisten brauchen, weil die Fragen einfach zu komplex werden. Wir binden heute selbstverständlich Spezialisten in der internationalen Rechnungslegung, in Fragen des Hedge Accountings oder in der Unternehmensbewertung in unser Team ein. Diesen Weg gehen wir derzeit auch bei den Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Es geht also in die Richtung multidisziplinärer Teams – und das ist unsere unternehmerische Aufgabe.

Andreas Dörschell im Gespräch
Andreas Dörschell im Gespräch mit Franklin Hünger, Susann Ihlau und Karl-Heinz Brosent (v. l.)

Was sind aus Ihrer Sicht die größten derzeitigen Herausforderungen?

Ganz vorne steht der Kampf um die besten Köpfe. Es muss uns gelingen, guten Nachwuchs für unseren Beruf zu interessieren und zu binden. Ohne guten Nachwuchs gibt es keine gute Zukunft. Wir müssen die Begeisterung für diesen schönen und vielfältigen Beruf wecken. Es ist gerade nicht ein abhaken von Zahlenfriedhöfen, ein Number-Crunching mit Ärmelschonern. Es ist das Verstehen von wirtschaftlichen Zusammenhängen, von anspruchsvollen Geschäftsmodellen – bei jedem Mandanten immer wieder neu und anders und mit immer vielfältigeren Themen.

Dann kann man natürlich keinen Hehl daraus machen, dass unser Image als Berufsstand in der Öffentlichkeit und auch in der Politik unter den aktuellen Skandalen gelitten hat. Und – offen gesprochen – das packt mich auch persönlich bei meiner Berufsehre. Wir müssen daran arbeiten, Vertrauen wieder herzustellen. Der Weg dahin kann nicht eine weitere und immer strengere Regulierung sein, die einem freien Beruf gerade seine Freiheit nimmt. Tausende Wirtschaftsprüfer leisten mit ihrer Arbeit täglich ihren Beitrag für eine funktionierende deutsche Wirtschaft, indem sie als Prüfer oder Gutachter Vertrauen in Jahres- und Konzernabschlüsse und in die Grundlagen wirtschaftlicher oder gerichtlicher Entscheidungen schaffen. Das gilt es für uns als WPK mit Nachdruck deutlich zu machen. Das schaffen wir durch glaubhafte Aufarbeitung und rechtsstaatliche Sanktionierung von Fehlverhalten, während wir gleichzeitig gemeinsam deutlich machen, was wir leisten können und was nicht.

 

Als Spitzenkandidat der Dörschell-Liste setzen Sie sich dafür ein, dass der Berufsstand wieder stärker geeint wird, kleine und mittelständische Wirtschaftsprüfer und Großgesellschaften wieder mit einer Stimme sprechen. Wird das gelingen?

Unsere gemeinsame Kraftanstrengung, um das Vertrauen in unseren Berufsstand wieder herzustellen, gelingt nicht durch Schuldvorwürfe, Vorhaltungen und Streit untereinander. Wir haben gesehen, dass am Ende eine immer strengere Regulierung steht. Ohne sachlichen Grund sehen wir uns als Mittelständler von heute auf morgen in einer Diskussion über höhere Haftungssummen oder über Fragen zur Zulässigkeit von gleichzeitiger Beratung und Prüfung bei unseren mittelständischen Mandanten. Wir sind als WPK die Selbstverwaltungskörperschaft aller Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Gemeinsam sind wir stark und werden viel besser gehört, wenn wir mit einer Stimme sprechen. Dafür ist es unsere Aufgabe, in den Kammergremien die Interessen der verschiedenen Segmente unserer Berufsausübung auszutauschen, zu verstehen und eine Linie zu entwickeln, die jedem Segment gerecht wird. 

Wir können intern gerne streitbar und kontrovers diskutieren, am Ende brauchen wir aber ein Ergebnis, das einheitlich nach außen vertreten wird. Das kann und muss nach meiner Erfahrung gelingen – allerdings nur dann, wenn nicht jedes Segment seine eigene Politik ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen will. Das setzt aber voraus, dass man die Sorgen und Nöte der verschiedenen Segmente unseres Berufes versteht und bereit zu einer Abwägung ist. Das Ergebnis kann ein Kompromiss sein oder auch differenzierte Vorschläge für verschiedene Segmente. Und dieses Ergebnis vertreten wir dann mit einer Stimme nach außen.

Mitglieder der Dörschell-Liste
Die Dörschell-Liste: 45 Vertreterinnen und Vertreter aus allen Bereichen des Mittelstandes.

Die Dörschell-Liste besteht aus 45 Vertretern kleinerer, mittelgroßer und größerer mittelständischer Praxen. Was kennzeichnet den mittelständischen Wirtschaftsprüfer? Sie beschreiben ihn als Generalisten und Spezialisten.

Unser Mittelstand ist sehr heterogen. Die Einzelpraxis, die sich im Wesentlichen auf die Steuerberatung verlegt hat, ist genauso Teil unseres Mittelstands wie die sogenannten Next 10-Gesellschaften, die das volle Sortiment der Prüfung und Beratung anbieten. Zum Mittelstand zählen aber zunehmend auch Spezialisten für bestimmte Prüfungs- oder Beratungsleistungen. Die verbindende Klammer zwischen Generalisten und Spezialisten im Mittelstand ist die Personenbezogenheit. Zwar gibt es auch bei uns einige starke Marken – im Vordergrund steht aber immer die Person. 

Der Generalist verschreibt sich grundsätzlich einem ganzheitlichen Ansatz. Er kümmert sich um alle aufkommenden Fragen seines Mandanten und hat das Gesamtbild im Auge. Und er weiß, wann das Thema so speziell wird, dass er einen externen Spezialisten einschalten muss. Der Mittelständler als Spezialist ist in der Regel in einer Nische tätig. Er ist beispielsweise spezialisiert auf Leistungen der Unternehmensbewertung oder der Erstellung von Abschlüssen nach internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen. Er erbringt seine Leistungen häufig selbst oder im kleinen Team und er erbringt seine Leistungen häufig auf demselben Niveau wie die Großgesellschaften – nur steht er in der Regel als Gesellschafter für seine Leistungen ein. Das steigert das Qualitätsbewusstsein noch einmal.

Alle Kandidaten auf unserer Liste eint eines: Sie haben als mittelständischer Wirtschaftsprüfer am Markt Erfolg: Durch ihre persönliche Leistung – allein oder im Team.

 

Weshalb ist es gerade für den Mittelstand so wichtig, dass Prüfung und Beratung weiterhin aus einer Hand angeboten werden?

Der ganzheitliche Ansatz des mittelständischen Wirtschaftsprüfers als Generalisten entspricht dem, was auch der mittelständische Mandant erwartet. Er erwartet Prüfung und Beratung aus einer Hand. Er will einen Ansprechpartner auf Augenhöhe für alle die Fragen seines unternehmerischen Wirkens. Genau das bieten wir als Generalisten an. Daraus erwachsen langfristige Mandantenbindungen. Der Ansatz bedingt natürlich unsere umfassende Qualifikation und ein ganzheitliches Berufsbild, das mit den aktuellen Entwicklungen Schritt hält. Meine Erfahrung ist zudem, dass wir als Mittelstand gerade durch diesen Ansatz attraktiv für guten Nachwuchs sind. Viele gute Absolventen suchen ein breites Betätigungsfeld, einschließlich der sich entwickelnden Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung und nicht die Nische bei der Großgesellschaft. Das ist unsere Chance.

 

Im zweiten Teil des Interviews erfahren Sie in wenigen Tagen, wofür sich die Dörschell-Liste einsetzt und wie es gelingen kann, das verloren gegangene Vertrauen der Öffentlichkeit zurückzugewinnen.

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