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Nachhaltigkeit als Chance

Plädoyer für ein geeintes und geschlossenes Auftreten des Berufsstands

Die Erwartungshaltung an unseren Berufsstand wächst stetig, gerade durch das Thema Nachhaltigkeit. Deshalb ist es entscheidend, dass unser Berufsstand geeint und geschlossen auftritt. Nur so nehmen uns Politik und Öffentlichkeit wahr.

Von Fritz Güntzler und Dr. Eckhard Ott

Aus Wirecard lernen heißt auch: Politik und Öffentlichkeit nehmen Wirtschaftsprüfer als einheitlichen, geschlossenen Berufsstand wahr. Sicher darf das Fehlverhalten Einzelner nicht die Reputation des gesamten Berufsstands gefährden. Dennoch gilt es, das Vertrauen in unsere Arbeit gemeinsam zu festigen. Der Hinweis auf eine große Vielfalt bei der Berufsausübung allein kann in der Politik wenig verfangen. Wirkungsvoll ist nur ein geeintes, geschlossenes Auftreten des Berufsstands. Deshalb ist größtmögliche Einigkeit und Geschlossenheit ein Gebot auch der berufsständischen Vernunft.

Schauen wir nach vorne, dann blicken wir einem Jahrzehnt der Umbrüche und Herausforderungen in Politik und Wirtschaft entgegen. Als Wirtschaftsprüfer erleben wir hautnah mit, welche Sorgen und Hoffnungen unsere Mandanten bewegen: Zeitenwenden in der Politik, Bewältigung multipler Krisen mit daraus folgenden, teils globalen Strukturveränderungen. Etablierte Lieferketten werden unterbrochen, Märkte neu geordnet, Ressourcen versiegen und Preise explodieren. Wer wollte leugnen, dass Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte heute Kapitäne auf bewegter See sind. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Abschlussprüfern im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben ist aktuell gefragter denn je.

Nachhaltigkeit als neue berufsständische Herausforderung

Über alldem schwebt die Klimakrise. Am Ausläufer eines Jahrzehnts mit großen Wachstumsraten beschloss die Pariser Klimakonferenz den Aufbruch in ein dekarbonisiertes Zeitalter. Diese Entscheidung war mutig und richtig! Seither fließt das Thema Nachhaltigkeit in alle Bereiche der europäischen Gesetzgebung ein, auch in die Abschlussprüfung unterhalb des börsennotierten Segments. Der Grundsatz des nachhaltigen Wirtschaftens verlangt von uns, die „Compliance“ der Geschäftstätigkeit auch an der Einhaltung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards zu messen. Man könnte auch sagen: das Geschäftsmodell von Generationen steht auf dem Prüfstand. Unsere Aufgabe als Abschlussprüfer ist es, diesen Umbruch mit qualitativ hochwertigen Prüfungs- und Beratungsdienstleistungen aus einer Hand zu begleiten.

Folgerichtig wächst die Erwartungshaltung an den Berufsstand. Zukünftig wird unser fachliches Urteil nicht nur von Eigentümern, Gläubigern und den Aufsichtsgremien beachtet werden, sondern mehr als bisher auch von den Vertretern der Zivilgesellschaft und der geneigten Öffentlichkeit. Von der Prüfung wird verlangt, den Blick von der Retrospektive immer stärker auf die ökologischen und sozialen Wirkungen des unternehmerischen Handelns zu lenken.

Als Wirtschaftsprüfer sind wir auch Ansprechpartner in der gesellschaftlichen Debatte über die Transformation zu einem nachhaltigen Wirtschaftsmodell. Dieser gewachsenen und weiter steigenden Verantwortung muss der Berufsstand gerecht werden.

Die kraftvolle Stimme des Berufsstands ist gefragt

Was aber plant der Gesetzgeber? Neben die Beurteilung der bilanzbezogenen Gesetzmäßigkeit soll künftig ein zweites Urteil über die Erfüllung nicht-finanzieller ESG-Berichtsstandards treten. Beide Prüfungsurteile – das finanzielle wie das nicht-finanzielle – sollen nach Plänen aus dem EU-Parlament von zwei voneinander unabhängigen Abschlussprüfern bzw. Prüfungsgesellschaften abgegeben werden. Alternativ sollen auch andere Erbringer von Bestätigungsleistungen ein Urteil zur Nachhaltigkeitsberichterstattung abgeben dürfen. Der neu gewählte Beirat muss sich hier kraftvoll in die entscheidende Verhandlungsphase über den Entwurf einer EU-Richtlinie einbringen.

Aus eigener beruflicher Anschauung wissen wir, dass in der Politik erst allmählich ein Verständnis dafür heranwächst, dass beides – finanzielle und nicht-finanzielle Prüfungen – untrennbar zusammengehören. Vereinfacht gesagt kann der Ansatz der Vermögensgegenstände und Schulden nicht vollständig und richtig sein, solange mögliche Schäden an Umwelt und Menschen entlang der Wertschöpfungsketten nicht berücksichtigt werden. Der Abschlussprüfer muss Risiken aus Klima-, Umwelt-, Menschenrechts- und Sozialverpflichtungen stets mitdenken. Das verlangt ein in sich abgestimmtes, integriertes Prüfungsvorgehen. Der Abschlussprüfer muss das gesamte Geschäftsmodell beurteilen, ein Prüfungsurteil kann daher nur einheitlich abgegeben werden. Dieses Ziel müssen Politik und Berufsstand kontinuierlich in die Regulierung wie die Berufspraxis einfließen lassen.

Die Kandidaten der Dörschell-Liste begreifen Nachhaltigkeit als Chance

Am Beispiel der Nachhaltigkeitsprüfungen – wie an vielen anderen Themen auch – lassen sich drei Kernziele der Dörschell-Liste veranschaulichen:

  1. Prüfung und Beratung aus einer Hand muss gerade im Mittelstand weiterhin zulässig bleiben. Neue Themen wie Nachhaltigkeit sollen nicht an spezialisierte Dienstleister ausgelagert, sondern integrierter Bestandteil der Prüfungsdurchführung werden.

  2. Für die Nachwuchsgewinnung und den Fortbestand der Berufspraxen eröffnet Nachhaltigkeit ein hoch attraktives Betätigungsfeld. Junge Menschen können ihre ethischen Überzeugungen beruflich sinnvoll realisieren. Die WPK muss das Berufsbild in diesem Sinne erweitern und positiv vermarkten.

  3. Die Kammer muss unsere berufspolitischen Überzeugungen mit einheitlicher Stimme kraftvoll nach außen tragen. Die Grundsatzfragen der Nachhaltigkeitsprüfung treffen den Berufsstand als Ganzes. Nur eine geeinte, in sich stimmige Position wird auf dem politischen Marktplatz wahrgenommen und hat so eine Chance auf Umsetzung.

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